"Da müssen wir jetzt halt irgendwie durch!"

#Nachgefragt. Vieles ist anders in dieser Zeit der Corona-Pandemie: besonders gefährdete Menschen müssen in Quarantäne, Einzelhandel oder Gastronomie müssen geschlossen bleiben, Theater, Museen oder Konzerthäuser ebenso. In den Kindertageseinrichtungen gibt es nurmehr Notbetreuung für Kinder von Eltern, die nicht im Homeoffice arbeiten können. Von Alten- oder Krankenpflege und der medizinischen Versorgung ganz zu schweigen – die Menschen, die hier arbeiten, sind im körperlichen und oft auch seelischen Dauerstress.

Besonders ist die Situation auch an den Schulen. Unterricht findet zwar statt, aber eben nicht im Klassenzimmer, sondern in virtuellen Räumen per Videokonferenz. Auch Tobias Krause, er unterrichtet Evangelische Religion und Englisch und ist Abteilungsleiter an der Gesamtschule Wanne-Eickel, muss aus dieser Situation das Beste machen. Wir sprachen mit dem 36-Jährigen über das Lehrer-Sein in der Pandemie.


Unsere Kirche: Herr Krause, wie geht es Ihnen mit dem Unterrichten auf Distanz?
Tobias Krause: Eine im Ruhrgebiet auf diese Frage gängige und für mich hier sehr passende Antwort lautet: „Muss!“ Wirklich schön ist die ganze Situation ja bei aller Sinnhaftigkeit nun wirklich nicht, aber da müssen wir jetzt halt irgendwie durch.


UK: Gibt es etwas, das Ihnen in dieser Zeit in der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern besonders fehlt?
TK: Mir fehlt zunächst einmal das ganze Schul-Leben. Ich habe meine Schule immer als einen Ort erlebt, an dem auf den Fluren, auf dem Schulhof und auch im Lehrerzimmer viel miteinander geteilt und auch gelacht wird. Das ist ja auch ganz normal, wenn normalerweise knapp 1.300 Menschen einen großen Teil ihrer Zeit miteinander unter einem Dach verbringen. Da passiert tagein tagaus unglaublich viel und mit der Zeit entstehen viele wertvolle Beziehungen, sowohl unter den Schülerinnen und Schülern als auch im Kollegium.

Und natürlich fehlt mir da auch besonders der tägliche Umgang mit den jungen Menschen, die zum allergrößten Teil lernen und ihre Fragen loswerden wollen und einen so im positiven Sinn auch mal herausfordern.


UK: Würden Sie sagen, dass das E-Learning auch nach Corona noch eine sinnvolle Möglichkeit des Unterrichts sein könnte – z.B. zusätzlich zum Unterricht in der Schule?
TK: Das glaube ich auf jeden Fall. Für mich hätte es dafür zwar keine Pandemie gebraucht, aber wahrscheinlich blicken wir in einigen Jahren zurück und stellen fest, dass viele Entwicklungen hier ihren Anfang genommen haben.

Ich selbst habe im vergangenen Jahr auf jeden Fall sehr viel über die digitalen Möglichkeiten gelernt und werde mit Sicherheit vieles davon auch in die Zeit „danach“ mitnehmen, wobei ich für mich davon überzeugt bin, dass Präsenzunterricht niemals gleichwertig durch ein noch so tolles digitales Angebot ersetzt werden kann. Dass Unterricht aber trotzdem digitaler werden muss, erklärt sich allein durch den Anspruch des Lebensweltbezuges, der auch für die Schülerinnen und Schüler der kommenden Generation gelten soll und muss. Da wird sich also einiges tun in den nächsten Jahren und ich bin sehr gespannt darauf.


UK: Zum Religionsunterricht: Findet er im selben Umfang statt wie in „normalen Zeiten“?
TK: Den Religionsunterricht gibt es bei uns jetzt natürlich auch im Distanzunterricht, schließlich haben wir Inhalte, die auch in Coronazeiten vermittelt und gelernt werden müssen. Insbesondere denke ich da an die angehenden Abiturienten. Aber auch sonst sind die Lehrpläne ja nicht außer Kraft gesetzt worden. Insofern muss der Religionsunterricht wie alle anderen Fächer auch so gut stattfinden, wie es momentan eben geht.


UK: Wie wichtig ist der Religionsunterricht vielleicht gerade jetzt?
TK: Er ist mindestens genauso wichtig, wie er es sonst auch ist. Die Auseinandersetzung beispielsweise mit biblischen Grundaussagen und existenziellen Fragen findet ja auch im Distanzunterricht statt. Und vielleicht hilft das dem ein oder anderen, dass der Blick nicht nur auf der durch Corona momentan stark verengten Wahrnehmung verharrt. Da gibt es schließlich mehr, viel mehr Perspektiven…


UK: Zuletzt: Sind Sie in dieser schweren Zeit als Schulseelsorger gefordert?
TK: Die Schülerinnen und Schüler sollen natürlich in diesen Wochen merken, dass sie auch in Distanz gesehen werden. Sie brauchen Ansprechpartner und damit meine ich nicht zuallererst die Schulseelsorge. Hier sind zunächst die Klassen- und Beratungslehrer zu nennen, schließlich haben die Schülerinnen und Schüler zu ihnen einen viel direkteren Draht. Zudem spielen bei uns an der Schule die Sozialpädagogen eine große Rolle, da auch sie für die jungen Leute jederzeit erreichbar und ansprechbar sind.

Insgesamt sind also alle hier gefordert und erfreulicherweise erlebe ich an vielen Stellen, dass im besten seelsorgerlichen Sinne aufeinander geachtet wird. Dabei habe ich nicht nur viele meine Kolleginnen und Kollegen vor Augen, sondern auch Eltern und insbesondere auch Schülerinnen und Schüler, die in der Sorge füreinander einen wichtigen Dienst wahrnehmen. Das sind immer wieder Momente, die mir dann auch selbst Mut machen. Gemeinsam kommen wir da durch!


UK sagt „Vielen Dank!“