#Nachgefragt. In loser Reihe fragen wir verschiedene Menschen nach ihrer Meinung zu Corona, den Maßnahmen und den Folgen. Zuletzt hat Gilbert Krüger Stellung genommen. Gilbert Krüger ist Inklusionsbeauftragter des Kirchenkreises Herne. Wir wollten von ihm wissen, wie sich die Corona-Krise auf das Leben von Menschen mit Behinderungen auswirkt.
Unsere Kirche: Herr Krüger, wie haben Sie persönlich die drei Monate mit den vielfachen Beschränkungen erlebt?
Krüger: Als Mensch mit Behinderung, der tendenziell einer Risikogruppe zuzuordnen ist, waren die Beschränkungen schon sehr einschneidend: Soziale Kontakte sollten auf das Minimum beschränkt werden und dann musste ich festzustellen, dass das Minimum zehn Personen sind, zu denen aber keine Beziehung wie zu Freunden oder Familie besteht.
UK: Wie haben sich die Corona-Krise und die Maßnahmen zum Infektionsschutz auf das Leben von Menschen mit Behinderung ausgewirkt?
Krüger: Für viele Menschen mit Behinderung bedeutete beispielsweise die Schließung der Werkstätten, dass sie keinen Zugang zu einer warmen Mahlzeit mehr hatten. Menschen, die in Einrichtungen leben, sind einer totalen Isolation ausgesetzt, da für sie die Nutzung digitaler Kommunikation nur eingeschränkt möglich ist und somit auch soziale Kontakte kaum aufrechterhalten werden können. Auch die Anspannungen der Mitarbeitenden sind spürbar. Darüber hinaus sind viele weitere digitale Angebote, wie Fernsehgottesdienste oder Radioandachten nicht inklusiv.
Die Maskenpflicht führt außerdem für gehörlose Menschen zu Kommunikationsschwierigkeiten, da die Mimik zur Gebärdensprache gehört; schwerhörige Menschen können durch die Maske ihr Gegenüber kaum noch verstehen.
UK: „Balkonsingen statt Bibelkreis“ war eine kreative Aktion aus ihrem Arbeitsbereich. Gab es weitere?
Krüger: Das Balkonsingen haben wir mehrfach durchgeführt, auch in unterschiedlichen Einrichtungen. Zusätzlich haben wir auf dem Innenhof einer Einrichtung ein großes Kreidebild gemalt mit Elementen, die Gottes Schutz in schwierigen Zeiten symbolisieren. Dieses konnte dann von den Balkonen begutachtet werden (s. Foto). Das Team des inklusiven Gottesdienstes hat sich inzwischen zusammengesetzt und macht sich zu einer digitalen Umsetzung Gedanken.
UK: Gibt es aus Ihrer Sicht etwas, das sich nachhaltig ändern muss – im Verhalten jedes Einzelnen aber auch gesellschaftlich? Was sollte die Gesellschaft aus der Corona-Krise lernen?
Krüger: Leider lässt sich feststellen, dass Inklusion im Zuge der Corona-Krise einen Rückschritt macht. Großeinrichtungen haben es wesentlich leichter, die Maßnahmen zum Infektionsschutz umzusetzen als dezentrale Angebote. Dieses Denken darf sich nicht verfestigen. Außerdem sollte die Entwicklung von Digitalisierung vermehrt unter dem Aspekt von Barrierefreiheit betrachtet und vorangetrieben werden.
In der Corona-Krise hat sich zudem eine Achtsamkeit füreinander entwickelt, die aufrechterhalten bleiben sollte. Für viele Probleme wurden kreative Lösungen gefunden. An dieser Hoffnung sollte die Gesellschaft festhalten und lernen, dass es trotz Krise Möglichkeiten und Wege gibt.
UK sagt „Vielen Dank!“