Nachruf für Pfarrer Ulrich Hentzelt (22. April 1929 – 2. April 2023) von Katharina Henke
Herne. „Pfarrer – dringend gesucht.“ Das Presbyterium der Kreuzkirchengemeinde hatte einen Bittbrief versandt. In der großen Gemeinde waren zwei Pfarrstellen schon lange unbesetzt. Herne galt als wenig attraktiv. Ulrich Hentzelt, Gemeindepfarrer an der Stadtkirche in Lünen, griff den Notruf auf und wechselte nach Herne, in den damaligen Bezirk Herne-Alt. Mit seiner Frau Marie-Luise und drei Söhnen zog er ins Pfarrhaus an der Oskarstraße 6. Der neue Pastor brachte neue Ideen mit: Monatlich startete nun ein Familiengottesdienst. Jede Woche gab es einen enorm lebendigen Kindergottesdienst. Und in den Ferien eine Kinderbibelwoche (beim ersten Mal kamen 160 Kinder). Für diese segensreichen Aufgaben wurden zahlreiche Ehrenamtliche gesucht und gefunden.
In seiner Gemeinde war Hentzelt immer mit dem Fahrrad unterwegs, was ihm den Spitznamen Eddy Merckx einbrachte. Ein begeisterter Sportler, der regelmäßig zum Lauftreff in den Gysenberg ging – auch das war für ihn eine Gelegenheit für Begegnungen. Ulrich Hentzelt war ein Menschenfreund, der Aufgaben sah und ansprechbar war. Er selbst war Balte, in Riga/ Lettland geboren. 1939 wurde er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Posen umgesiedelt – dort hatte man zuvor die Einheimischen vertrieben.
Immer wieder fuhr er während seiner Dienstzeit ins Auffanglager nach Unna-Massen – verstärkt zu Beginn der 90er Jahre, als viele Russlanddeutsche kamen. Kirchliches Leben war in Russland verboten gewesen, viele Traditionen abgebrochen, verschüttet. In Herne besuchte sie Pfarrer Hentzelt – öffnete Türen und Herzen. Er lud zu Glaubenskursen ein, taufte und konfirmierte viele. Der monatliche Bibel-Gesprächskreis war ihm eine Freude.
Hentzelt hat sich von Beginn an in der Friedensbewegung engagiert. Er schätzte und unterstützte die Eine Welt-Arbeit von Pfarrer Harald Rohr ebenso wie die städtische Partnerschaft mit der Insel Ometepe in Nicaragua. Er ging dahin, wo viele sich versammelten, stand aber auch da, wo wenige auftauchten – etwa im dunklen November an dem Platz, wo 1938 die Herner Synagoge gebrannt hat. Über Jahre trug er mit anderen das ökumenische Friedensgebet in St Bonifatius.
Viele erinnern sich an den Seelsorger Ulrich Hentzelt, der auf Menschen zuging – in der Gemeinde, in Krankenhäusern und Altenheimen, um Leid mitauszuhalten, zuzuhören, zu trösten und zu segnen. Er war erreichbar, wenn es eng wurde. Noch im Ruhestand machte er sich Tag für Tag auf den Weg, um anderen beizustehen.
Ulrich Hentzelt wusste in der Fülle der Aufgaben um den Halt des christlichen Glaubens, aber auch um die Grenzen menschlicher Kraft und Einsicht. „Wir müssen Sorge tragen für unser eigenes geistliches Leben“, das war seine feste Überzeugung. Morgens setzte er sich daher bewusst in die Stille, um sein Leben, sich selbst vor Gott zu ordnen. Jährlich lud er auch andere dazu ein – ins Haus der Stille nach Bethel zu einem Wochenende im Schweigen und Hören auf die Schrift. Gemeinsam singen und beten und sich neu ausrichten zu Beginn des Jahres, darum ging es in diesen Einkehrtagen.
Ulrich Hentzelt nahm auch junge Theologinnen und Theologen unter seine Fittiche. Nicht um sie zu belehren, sondern seine Erfahrungen weiterzugeben und selbst von ihnen, die frisch aus dem Viakriat kamen, zu lernen. Gleich zu Beginn bat er um einen aufrichtigen Austausch, um wechselseitige Rückmeldungen. Das war durchaus ungewöhnlich für Männer seiner Generation. Er wusste um seine Würde als Christenmensch, um seine natürliche Größe. Und er konnte sich damit hinterfragen und reflektieren. Gestorben ist Ulrich Hentzelt am Palmsonntag, beigesetzt wurde er am Gründonnerstag. KH