Den Talar an den Nagel gehängt und davongeradelt

CASTROP-RAUXEL – Die Paulus-Kirchengemeinde Castrop hat nach gut 33 Jahren ihren Pfarrer Hans-Jürgen Knipp (*16.9.1956 in Siegen) in den Ruhestand verabschiedet. Das geschah in einem festlichen Familiengottesdienst am 29. September in der Lutherkirche an. „Ich habe in der Gemeinde schwerpunktmäßig mit Kindern gearbeitet, deshalb wollte ich in einem Familiengottesdienst verabschiedet werden“, betonte Knipp. Die Befreiung von seinen Dienstpflichten hat in Vertretung von Superintendent Reiner Rimkus Synodalassessor Pfarrer Arno Wittekind übernommen. Im Gottesdienst, an dem (natürlich) Kinder, ebenso wie Chor und Band beteiligt waren, zählte Knipp besondere Stationen in seinem Dienst auf und dankte allen, die ihn begleitet haben. Als das letzte Lied verklungen war, entledigte sich der scheidende Pfarrer seines Talars, holte sein Fahrrad hinter dem Altar hervor und radelte durch den Mittelgang aus der überfüllten Lutherkirche. Begleitet wurde er von minutenlangem Beifall der Gemeinde.

Hans-Jürgen Knipp ist im Siegerland geboren und aufgewachsen. In der evangelisch-landeskirchlichen Gemeinschaft ist er als Jugendlicher mit dem Siegerländer Pietismus in Berührung gekommen. „Hier konnte ich meinen eigenen Glaubensweg finden“, sagte Knipp, der sich seitdem mit theologischen Fragen beschäftigt. Schon mit 16 Jahren sei der Wunsch entstanden, Theologie zu studieren und Pfarrer zu werden.

Während seines Studiums in Wuppertal, Göttingen, Erlangen und wieder Wuppertal hatten es ihm besonders das Alte Testament und der Schweizer Theologe Karl Barth angetan. In einem Vortrag von Pfarrer Johannes Hansen begegnete Knipp der „interessante Kirchenkreis Herne mit seinem Superintendenten Fritz Schwarz“, der ihm die Möglichkeit eröffnete, hier sein Vikariat, die praktische Ausbildung zum Pastor, zu absolvieren. „Wenn Du Jesus liebhast, kannst Du kommen“, habe er gesagt. So kam Knipp in den Kirchenkreis Herne – zunächst als Vikar nach Wanne-Nord zu Pfarrer Rainer Sudbrack. „Mir hat der Mix aus missionarischer und theologisch fundierter Arbeit in dieser Gemeinde sehr gut gefallen“, sagte Knipp. Schon in seinem Studium habe er daran gearbeitet, das Verhältnis von wissenschaftlicher Theologie und Pietismus zu bestimmen. „Ich meine, dass beides wichtig ist.“, so Knipp. „Theologie und gelebte Frömmigkeit können und sollten sich ergänzen.“

Im Jahr 1986 holte der damalige Superintendent Klaus-Peter Röber Hans-Jürgen Knipp nach Castrop-Rauxel. Hier war Knipp von Anfang an schwerpunktmäßig für die Arbeit mit Kindern zuständig, was er bis zum Schluss ausgesprochen gerne gemacht hat. „Mit Kindern Glauben zu lernen verbindet Elementares mit Herzlichem“, sagte er. Vor allem in den 1990er Jahren habe es in Castrop ein ausgesprochen blühendes Gemeindeleben gegeben. „Martin Hensel, Martin Pogorzelski und ich haben uns mit unserer Verschiedenheit geradezu perfekt ergänzt“, erinnert sich Knipp. „Die Gemeinde hat wahrscheinlich gespürt, dass wir mit unseren unterschiedlichen Schwerpunkten an einem Strang gezogen haben.“

Einen besonderen Einschnitt brachte für den 63-Jährigen das Jahr 2002 mit dem Start der „Kinderarche“. Mit zunächst rund 30 ehrenamtlich Mitarbeitenden inszenierte Knipp einen ganzheitlich ansprechenden Kindergottesdienst mit Anspielen und viel Musik. Neben der Arbeit mit Kindern lag Hans-Jürgen Knipp die Ökumene sehr am Herzen. „Daran ist vor allem meine Frau Schuld“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Der Pfarrer lernte die Katholikin Annette Brüggemann bei einer Ökumenischen Feier am Gründonnerstag kennen und lieben. Das Paar hat drei erwachsene Kinder. „Zusammen mit Norbert Keller aus der Katholischen Nachbargemeinde hat es hier in den 90er Jahren einen ‚Ökumenischen Frühling‘ gegeben“, sagt Pfarrer Hans-Jürgen Knipp. „Dass ich in diesem Jahr am Pfingstsonntag in St. Lambertus predigen durfte, war ein echtes Highlight meines Dienstes.“

Jetzt freut er sich auf seinen Ruhestand. „Die Erleichterung überwiegt“, so Knipp. „Der Pfarrberuf ist nach meiner Erfahrung unendlich schön, aber auch sehr aufzehrend, zumal ich mich für vieles verantwortlich gefühlt habe – auch über die Gemeindegrenzen hinaus.“ Er war unter anderem Vorsitzender des Ausschusses „Mission, Ökumene und Weltverantwortung“, Sprecher der Synodalregion Castrop-Rauxel, Ansprechpartner für die muslimischen Gemeinden in Castrop-Rauxel und als solcher aktiv im interreligiösen Dialog. „Das war mitunter (zu) viel“, weiß er. Was er vermissen wird? „Wenn ich mit dem Fahrrad durch die Gemeinde fahre, rufen mir manchmal Kinder ein fröhliches ‚Hallo Pastor Knipp‘ hinterher, das wird mir fehlen!“

Mit dem Eintritt in den Ruhestand wird das Ehepaar Knipp ein neues Zuhause in Bochum-Dahlhausen beziehen. „Ich brauche diese Distanz, um mich wirklich ganz aus der Gemeindearbeit verabschieden zu, die wichtigen sozialen Kontakte aber weiter pflegen zu können“, weiß Pfarrer Knipp, der sich darauf freut, seine Liebe zu alten Verkehrsmitteln – zu denen sein Austin Healey Sprite aus den 60er Jahren gehört – zu pflegen und mehr als bisher zu reisen. AR