Herne. Das Eine Welt Zentrum mit seinen Fachbereichen Eine-Welt-Arbeit und Flüchtlingsberatung hatte in Kooperation mit der Volkshochschule eingeladen zu einem Vortrags- und Diskussionsabend als Auftakt zur Ausstellung „Menschenrechte an den Außengrenzen der Europäischen Union. Die Ausstellung des Aachener Netzwerkes für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit e.V. selbst wird noch bis zum 22. Februar im vhs-Foyer im Kulturzentrum Herne zu sehen sein. Sie informiert sehr anschaulich wie vielfach die Menschenrechte in den Flüchtlingslagern missachtet werden. Mangelnde Hygiene, illegale Zurückschiebungen an den Grenzen, Abschottung der Grenzen mit Stacheldraht und Zäunen, die die Menschen daran hindern in die EU zu gelangen, nehmen den Flüchtlingen ihr verbrieftes Recht, um Asyl zu ersuchen. Das wiederum steht in krassem Gegensatz zur "Charta der Grundrechte der Europäischen Union".
In der Auftaktveranstaltung gab zunächst Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW, einen Überblick über die europäische Flüchtlingspolitik und die Folgen für Geflüchtete, die Schutz in Europa suchen. Sie berichtete, welche Maßnahmen mit Wissen und Genehmigung der EU an den Außengrenzen stattfinden. Es gibt die großen Flüchtlingscamps, die eigentlich vorsortieren sollen, wer überhaupt weiter in die EU gelassen werden kann und wer keine Chance haben wird. Es gibt die europäische Grenzschutzorganisation Frontex, die an und vor den Grenzen im Land und an der See patrouillieren und immer mehr dazu dienen Flüchtlinge von der EU fernzuhalten. Es gibt die vielen überfüllten Boote, die längst nicht alle das europäische Festland erreichen und leider auch nicht alle von den Hilfsorganisationen gerettet werden können. Es gibt die verschiedenen Fluchtrouten nach Europa, sehr prekär ist auch die sogenannte Balkanroute.
Dazu konnte dann der nächste Referent, Dirk Planert, Informationen aus erster Hand liefern. Er berichtet anhand sehr bedrückender und zugleich eindrucksvoller Bilder über die dramatische Situation von Geflüchteten auf der Balkanroute. Seit über 30 Jahren ist er als Radio und TV-Journalist weltweit unterwegs. Darüber hinaus engagierte er sich in den 90ern als humanitärer Helfer während des Jugoslawienkrieges. Zufällig war Planert im Juni 2019 dabei, als mehrere hundert Flüchtlinge von den Behörden in der Region Bihać auf eine Müllhalde deportiert wurden. Planert blieb und baute in dem sogenannten Jungle Camp eine Ambulanz auf. Daraus entwickelte sich später die lokale Hilfsorganisation „SOS-Bihać“. Heute arbeitet der 54jährige im Rettungsdienst in seiner Heimatstadt Dortmund und ist ehrenamtlich für SOS Bihać aktiv und Mitglied des Aachener Netzwerkes.
Sein Bericht beeindruckte alle Anwesenden, denn er gab Einblicke, die die Medien uns nicht gewähren. Die Menschen, die bis dort gelangt sind, wollen alle nach Europa. Er berichtete, dass es einige zu bis 30-mal über die grüne Grenze probieren mussten. Wenn sie aufgegriffen werden, werden sie geschlagen, misshandelt, ihnen werden die persönlichen Sachen und die Schuhe weggenommen und verbrannt. Planert hat lernen müssen, Wunden und Krankheiten zu behandeln und machte die Zustände öffentlich. Es kamen Freiwillige zur Unterstützung, auch unter den Flüchtlingen gab es immer wieder Menschen, deren Fähigkeiten und Berufe hilfreich waren. Planerts zähes und unermüdliches Einsetzen für diese Menschen führte dazu, dass diese Zustände wahrgenommen wurden und den Menschen Hilfe zuteilwurde. Dennoch ändert sich nichts an der europäischen Flüchtlingspolitik, die weiter von Abschottung und Wegweisung geprägt ist. „und dass, so Planert, wo z.B. in den nächsten Jahren gar keine deutsche Pflegekraft mehr in den Pflegeheimen tätig sein wird, wo es an allen Berufsständen fehlen wird.“
Im Anschluss gab es dazu eine Diskussion, wie der Zugang zu Asylrecht in Europa weiterhin gewährleistet werden kann. Eine lebhafte Debatte gab es darüber, ob die Akzeptanz steigen würde, wenn Straftäter konsequenter abgeschoben würden. In der Diskussion wurde auf die Unteilbarkeit der Menschrechte hingewiesen. Sie müssen jedem Menschen gleichermaßen zugestanden werden. Sie können auch Menschen, die Verfehlungen begangen haben, nicht abgesprochen werden und sollten daher auch in Europa vor Gericht gestellt werden. Politische Aufgabe sei es, dass die die Staaten der EU ihre eigenen Grundwerte auch umsetzen müssen und dass Verteilungsregeln für Geflüchtete eingehalten werden oder anderenfalls empfindliche Strafen nach sich ziehen sollten.
Der sehr anregende Abend endete mit der Übereinkunft aller Anwesenden, dass wir aufstehen und uns einsetzen müssen, dass wir mit Menschen reden müssen, die Parolen aufsitzen und dass wir nicht müde werden dürfen, anzuprangern und zu informieren und Rechte für diejenigen zu fordern, die es selbst nicht können. KJ