Wanne-Eickel. Roboter sind mittlerweile in vielen deutschen Operationssälen auf dem Vormarsch. Das spiegelt sich auch in der stetig wachsenden Zahl der Medizintechnik-Anbieter, die immer differenziertere Programme präsentieren. „Nach langer Überlegung haben auch wir nun ein System gefunden, das alle in unserem Haus überzeugt, die ihre chirurgischen Eingriffe zukünftig mit Hilfe eines Robotik-Systems durchführen möchten“, sagt Dr. Erich Hecker, Ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses Herne. Als Chefarzt der Thoraxchirurgie gehört er ebenso zu den beteiligten Fachdisziplinen wie die Chefärztin der Frauenklinik, Luljeta Korca, und dem Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Prof. Dr. Matthias Kemen. Die Investitionskosten belaufen sich auf 1,6 Millionen Euro.
Hugo heißt der neue OP-Kollege, der in dem aufwändig umgebauten OP-Zentrum am Standort Wanne-Eickel seinen Platz erhält. Hugo ist ein System, das von der irischen Medizintechnik-Firma Medtronic entwickelt wurde und nun am EvK Herne als bundesweit erster Klinik in Betrieb genommen wird. „Vorteil dieses Systems gegenüber vergleichbaren ist seine taktile Komponente“, stellt Prof. Dr. Matthias Kemen fest. Während der Operateur z.B. beim Schieben von Gewebe oder beim Vernähen von Fäden bei allen anderen Robotik-Systemen nur durch optisches Abschätzen die richtigen Abstände oder den richtigen Druck erahnen kann, bietet Roboter Hugo die Möglichkeit, das Gewebe nicht nur zu sehen, sondern auch einen Berührungskontakt zu spüren. Dadurch ergibt sich für den Operateur eine ähnlich authentische Arbeitssituation, als stehe er wie bei den herkömmlichen Techniken persönlich am OP-Tisch.
Zum Einsatz kommt Hugo vor allem, wenn es um die Operation von Tumoren geht. Ob Lungenkrebs, Enddarmkrebs, Speiseröhrenkrebs, Gebärmutterschleimhaut- oder Gebärmutterhalskrebs hier stellt Hugo ebenso wie in der Beckenbodenchirurgie eine bedeutende Weiterentwicklung dar. „Um möglichen Ängsten entgegenzuwirken, ist es wichtig zu wissen, dass diese Technik nur als Assistenz eingesetzt wird und niemals selbständig arbeitet. Nach wie vor führt der Operateur die entsprechenden Aktionen aus, auch wenn er an einem Monitor sitzt und nicht direkt am OP-Tisch steht“, erklärt Chefärztin Luljeta Korca die praktische Umsetzung.
Für Dr. Erich Hecker ist die neue Technik ein weiterer Schritt in Richtung Perfektionierung des Organisationsergebnisses. „Schon heute können wir darauf stolz sein, dass die Komplikationsrate bei unseren chirurgischen Eingriffen weit unter den Vorgaben der jeweiligen Fachgesellschaften liegt. Mit Einsatz der Robotik streben wir nun eine Rate gegen Null an“, sagt der Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie. Dr. Heckers Klinik ist von der Firma Medtronic als weltweit erstes Ausbildungszentrum für Robotik in der Thoraxchirurgie ausgewählt worden.
„Dies ist ein wichtiger Faktor für den ärztlichen Nachwuchs“, betont Prof. Dr. Matthias Kemen, der am EvK Herne als PJ-Koordinator Ansprechpartner für Medizinstudenten ist. Gemeinsam mit Dr. Hecker wird er junge Ärztinnen und Ärzte in der Robotik ausbilden. Bei beiden Chefärzten treffen eine langjährige praktische chirurgische Erfahrung mit umfangreichen Fachkenntnissen in der offenen Chirurgie, der minimalinvasiven Chirurgie und jetzt auch noch in der Robotik zusammen. Das Gleiche gilt für Luljeta Korca, die ebenfalls auf eine langjährige Erfahrung im Bereich sowohl der offenen als auch der minimalinvasiven gynäkologischen Chirurgie zurückblickt.
Robotik ist in der Chirurgie die medizinische Technik der Zukunft. Davon ist Heinz-Werner Bitter, Geschäftsführer der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft, überzeugt. Seiner Meinung nach bedeutet die Einführung der Robotik für die Chirurgie einen ähnlichen Quantensprung wie vor rund 20 Jahren die Einführung der minimalinvasiven Operationstechnik. „Deshalb war es für uns auch aus strategischer Sicht keine Frage, den Weg für eine solche Innovation frei zu machen“, so Bitter. AW