HERNE - Vergebung und Versöhnung sind zentrale Themen zwischen Menschen. Bei einem interreligiösen Dialogabend am 10. Juli berichtete Pfarrer Arnd Röbbelen von Streitschlichter-Gruppen an den Schulen: Schüler, die völlig miteinander verkracht sind, lernen im Konfliktfall auf Rechthaben und Schuldzuweisungen zu verzichten. Statt „du hast…“ sei es wichtig auszusprechen, was „ich selbst“ gefühlt, erlebt habe, damit Verständnis füreinander und Verhaltensänderung möglich werden.
Der Islamwissenschaftler Tekin Tekin berichtete von belastendem Kontaktabbruch in Familien, der häufig über Jahre besteht. „Kränkungen machen krank“, bestätigte Pfarrerin Katharina Henke, die den Abend moderierte.
Dr. Michael Rosenkranz von der jüdischen Gemeinde wies auf die unendlichen Verstrickungen im Nahost-Konflikt hin. Die Wege zur Versöhnung nach jahrelanger Gewalt und Hass sind eine notwendige, schwere Aufgabe in vielen Völkern. Geschildert wurde die Arbeit der Wahrheitskommissionen in Südafrika und der Dorfgerichte nach dem Völkermord in Ruanda (1994).
Welche Wege weiß der Glaube? Die Bedeutung des Todes Jesu für die Vergebung der Sünden wurde ebenso wie die Sündenbocktradition von Jom Kippur angefragt. Der Koran bietet die Möglichkeit zur Vergeltung um sogleich zu betonen: „Vergebung ist besser als Vergeltung“. In der Bibel werde lauthals geklagt, den Feinden alles böse gewünscht – doch „die Rache gehört dem Herrn“, erwiderte Röbbelen.
Tekin schilderte, dass zu besonderen religiösen Festen zu Vergebung mit den Mitmenschen aufgerufen wird. „Die Himmelstore sind dann weit geöffnet! Gott ist barmherzig, dieses Geschenk sollen wir weitergeben.“
Auch Judentum (Jom Kippur) und Christentum (Abendmahl) kennen besondere Gelegenheiten, Vergebung zu erlangen oder zu stiften. Manches davon erleben die Teilnehmenden jedoch als bloß abstrakte Formel. Dies gilt auch für den bekannten Friedensgruß beim Abendmahl. Vergebung, Versöhnung sollte konkret werden: Ich verzichte darauf mich zu rächen (vergeben). Ich höre auf, jemanden seine Schuld entgegen zu werfen (verzeihen). Vergebung ist immer ein mühevoller Prozess. Und ohne Selbstkritik geht es auch nicht. „Doch jede Schuld nimmt den Täter als Geisel“, heißt es bei den Muslimen. Menschen brauchen die Vergebung der anderen. Nur so können sie den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt verlassen.
Die Referenten waren sich einig: Gläubige haben einen besonderen Auftrag, Vergebung und Versöhnung zu leben. Damit werde Gottes Barmherzigkeit gespiegelt. „Bevor wir Gott bitten, uns zu vergeben, müssen wir einander vergeben.“ Eindrücklich waren die Berichte von Menschen, die als Opfer nach Jahren die Kraft gefunden haben, ihren Peinigern zu vergeben. Gedemütigte, die um ihren eigenen Wert wissen, erleben sich endlich als handlungsfähig und fordern Augenhöhe ein. KH