Herne. „Schwerstkranken am Ende ihres Lebens durch Zuwendung, Liebe und das Teilen von Kummer und Verzweiflung zum Sterbeglück zu verhelfen, ist eines der größten Geschenke, die wir anderen Menschen und uns selber machen können.“ Mit einem berührenden Grußwort hat Superintendentin Claudia Reifenberger die Gespräche bei der Festveranstaltung anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Palliativstation im Evangelischen Krankenhaus Herne und des 25-jährigen Bestehens des Ambulanten Hospizdienstes geprägt. Im Saal des Kulturzentrums konnte man eine Stecknadel fallen hören, so gebannt lauschten die rund 180 Gäste des Fördervereins den Worten der Pfarrerin.
Pfarrer Frank Obenlüneschloß begrüßte ein bunt gemischtes Publikum zur Eröffnung. Die Feier sei ein Dankeschön für den jahrzehntelangen Einsatz der Haupt- und Ehrenamtlichen, der beruflich Heilenden und Pflegenden, der Spenderinnen und Spender und der Wegbegleiter, so Obenlüneschloß. Gerade in der aktuellen Krise sei es wichtig, Danke zu sagen und sich für das Leben einzusetzen. Dies sei im Jubiläumsjahr dank der Initiative „Wir sind palliativ“ gut gelungen. Die für die Erweiterung der Palliativstation im EvK von sechs auf zehn Zimmer eingeworbene Spendensumme sei mittlerweile sechsstellig, so der Theologische Direktor der Krankenhausgemeinschaft. In diesem Zusammenhang bedankte sich der Fördervereinsvorsitzende bei der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne und beim EvK Herne, die die Kosten der Jubiläumsfeier in vollem Umfang übernommen haben. „So ist sichergestellt, dass jeder Euro unserer Spendenkampagne der Erweiterung zugutekommt“, sagte Obenlüneschloß.
Den Dank der Stadt Herne, des Rates und der Bürgerinnen und Bürger überbrachte Stadtdirektor und Kämmerer Dr. Hans Werner Klee, der stellvertretend für Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda das Grußwort sprach. „Wir müssen gemeinsam weiter daran arbeiten, das Thema Sterbebegleitung aus der Tabuzone zu holen, um dafür noch mehr Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit zu schaffen. Schon heute zählt die Hospiz- und Palliativkultur zu den wichtigsten soziopsychologischen Versorgungsangeboten unserer Stadt.“ Tagtäglich leisteten die haupt- und ehrenamtlichen Teams Besonderes“, sagte er. „Ohne ihre Arbeit geht es nicht“, so Dr. Klee.
Schmerzlich verzichten musste der Förderverein auf die Anwesenheit seines Schirmherrn, Thorsten Kinhöfer, der wegen einer Corona-Infektion der Veranstaltung fernbleiben musste. Der langjährige FIFA-Schiedsrichter engagiert sich ehrenamtlich im Beirat des Fördervereins und rief dort für 2022 die Kampagne „Wir sind palliativ“ ins Leben. Kinhöfer war es auch, der die Bundesligisten Schalke 04, Borussia Dortmund und VfL Bochum für eine gemeinsame Spende zugunsten des Ausbaus der Palliativstation gewinnen konnte. Sein Grußwort verlas an dem Abend Pfarrer i.R. Walter Tschirch, der Vorsitzende des Beirats des Fördervereins. Darin heißt es: „In den Begegnungen mit Haupt- und Ehrenamtlichen der Palliativstation und des Hospizdienstes habe ich gelernt, dass wir uns möglichst früh mit dem Thema Tod und Sterben auseinandersetzen sollten, vor allem dann, wenn es uns gut geht. Ein schlimmer Unfall, eine plötzliche lebensverkürzende Krankheit kann doch jede und jeden von uns jederzeit treffen – unabhängig davon, wie alt wir sind. Dann ist es gut, wenn wir in unserer Nähe Orte und Menschen wissen, die die Nöte und Beschwerden Schwerstkranker kennen und professionell lindern, die uns und unsere Angehörigen beraten, begleiten und die in schweren Stunden einfach nur da sind. Das ist keine Selbstverständlichkeit. In Deutschland gibt es 1500 Akutkrankenhäuser, aber nur 360 Palliativstationen und 260 stationäre Hospize. Über die palliative Versorgung in Herne und Wanne-Eickel können wir deshalb mehr als nur froh sein.“
Verlesen wurde auch das Grußwort von Dr. Gerlinde Dingerkus. Die Leiterin der Ansprechstelle im Land NRW zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung in Münster „alpha“ musste krankheitsbedingt absagen. Dr. Dingerkus legte in ihrem Manuskript das Augenmerk auf die Arbeit des ambulanten Hospizdienstes in Herne, dessen Meilensteine sie in den 24 Jahren eigener Tätigkeit häufig miterlebt oder begleitet habe: „Natürlich gab es auch kleine und große Krisen. Die sicherlich größte, die auch die Hospizarbeit erschüttert hat, die Coronakrise, hat der Ambulante Hospizdienst Herne als einer der herausragendsten Dienste in NRW nicht nur überstanden, sondern ist konstruktiv und kreativ damit umgegangen. Sie haben früh gemerkt, dass vieles am besten gemeinsam geht und haben ein Netzwerk geschaffen. Ein Netzwerk, das immer stabiler wurde, das von allen Praktikern, von Vereinen und Verbänden und nicht zuletzt von der Kommune mit Dr. Dudda mitgetragen wird, einem Oberbürgermeister, der dem Ehrenamt, nicht nur im Hospizbereich, und damit dem Prinzip der sorgenden Gemeinde einen hohen Stellenwert zuschreibt.“
Zum Abschluss des offiziellen Teils nahm Superintendentin Claudia Reifenberger ihre Zuhörer mit in ein Gespräch zwischen den Theologinnen Claudia Janssen und Luise Schottroff. Claudia Janssen besuchte ihre Freundin Luise, damals 80, im Krankenhaus, wo diese wegen einer unheilbaren Krebserkrankung palliativ versorgt wurde. Im Gespräch mit Janssen erwähnt Luise Schottroff erstmals den Begriff „Sterbeglück“. Dieses Wort habe ihr Luise Schottroff mit ihrem Interview geschenkt, sagte Claudia Reifenberger in ihrem Grußwort. Es begleite sie seitdem immer, wenn sie in der Hospiz- und Palliativarbeit unterwegs sei. „Wir können in unserem Leben nie mehr erfahren als Lebensqualität. Lebensqualität, Wohlbefinden, Linderung, die ein Mensch am Ende des Lebens erlebt, das ist Sterbeglück. Dieses ist im Prinzip nicht unterschieden vom Lebensglück, das ein Mensch sein ganzes Leben lang erfahren hat“, so Reifenberger. Anderen zum Sterbeglück zu verhelfen, indem man ihrer Krankheit, ihrem Kummer, dem Sterben, Schmerz und Tod mit Liebe begegne, sei eines der größten Geschenke, die Menschen anderen Menschen und sich selber machen könnten. Reifenberger: „Deshalb finde ich gut, dass das Motto des Fördervereins ,Wir sind palliativ‘ lautet. Dabei geht es nicht um ein Programm oder eine Technik, sondern um eine Haltung. Ich wünsche allen, in die Haltung des Sterbeglücks für andere und uns selbst zu kommen, dass wir die Stimme dafür erheben in unserer Gesellschaft, damit noch viele vom Sterbeglück erfahren und sich damit beschenken lassen können.“
Nach dem Ende des offiziellen Teils, den sie bereits launig moderiert hatte, übernahm die bekannte Bochumer Kabarettistin Esther Münch alias Putzfrau Walli Ehlert vollständig das Kommando. Für die musikalische Unterhaltung sorgte die „Dorfkapelle des Reviers“, Schwarz-Rot Atemgold 09. Die heiteren Momente belohnten die Gäste mit viel Applaus. Zum Abschluss stärkte sich die Festgesellschaft am kalten und warmen Büfett, danach klang der Abend mit guten Gesprächen fröhlich aus. SSch