Von der Finsternis der Unwissenheit zum Licht der Erkenntnis

HERNE – Zwei Tage nach der Premiere in der Gelsenkirchener Altstadtkirche haben über 100 Mitwirkende in Chor und Orchester unter Leitung der Kantoren Jens-Martin Ludwig (Gelsenkirchen) und Wolfgang Flunkert (Herne) am 29. April ein Konzert mit Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy gegeben. Der Konzertabend begann mit einem Rückblick des Herner Kreiskantors Wolfgang Flunkert auf die aus dem Lutherjahr 2017 herrührende Zusammenarbeit mit seinem Gelsenkirchener Kollegen. Dann präsentierten die Musiker zunächst die Choralkantate „Verleih uns Frieden gnädiglich“ sowie das Doppelquartett „Denn er hat seinen Engeln“ aus dem Oratorium „Elias“. Hierauf folgte Mendelssohns „Lobgesang“, den er im Jahr 1840 für die 400-Jahrfeier zum Anlass der Erfindung des Buchdrucks komponiert hat.

Mit der Werkauswahl haben die beiden Chorleiter an die Reformationsthematik angeknüpft. Denn nur durch die Möglichkeit der schnellen Vervielfältigung von Luthers Schriften konnte seine Botschaft diese Wirkung entfalten. In der Zeit der Aufklärung war man sich der großen Bedeutung des Buchdrucks so sehr bewusst, dass der Rat der Stadt Leipzig Felix Mendelssohn Bartholdy den Auftrag zu seinem Werk erteilte. Entstanden ist eine Kombination aus Sinfonie und Kantate für Soli, Chor und großes Orchester. Am Beginn steht der sinfonische Teil, der aus drei instrumentalen Sätzen besteht und dann in den Kantatenteil übergeht. „Um dem festlichen Charakter dieses besonderen Werkes gerecht zu werden, braucht man einen starken Chor, damit er gleichgewichtig neben den ausdrucksvollen Orchesterklängen steht“, sagte Wolfgang Flunkert, der sich das Dirigat mit Jens-Martin Ludwig teilte.

Den Text des Kantatenteils stellte der Komponist aus Bibelzitaten und dem Kirchenlied „Nun danket alle Gott“ zusammen und arbeitete dabei drei Themen heraus: das Lob Gottes, Gottes Treue zu denen, die von ihm Hilfe und Trost erwarten und den Aufstieg des Volkes Gottes aus der Finsternis zum Licht. Besonders durch das letzte Thema gelang Mendelssohn die Anknüpfung an den Anlass des Werkes: Die Entwicklung des Buchdrucks und Johannes Gutenbergs erste gedruckte Bibel deutet er zu Schlüsselereignissen, die die Menschheit aus der Finsternis der Unwissenheit zum Licht der Erkenntnis geführt hat. So wird die (vom Solo-Tenor) mehrfach wiederholte Frage „Hüter, ist die Nacht bald hin?“ zunächst vom Sopran und schließlich vom gesamten Chor beantwortet mit „Die Nacht ist vergangen!“ Dass Mendelssohn an mehreren Stellen zunächst die Solisten – hier Jutta Potthoff, Lena Reineke (Sopran) und Robert Reichinek (Tenor) –, zu Wort kommen lässt, um ihre Aussagen vom gesamten Chor beantworten oder wiederholen zu lassen, symbolisiert hörbar die Ausbreitung der Erkenntnis.

Das begeisterte Publikum belohnte Chor, Orchester, Solisten und Chorleiter mit nicht enden wollendem Applaus, der den Ausführenden eine Zugabe abverlangte. Die klangschöne Choralkantate „Verleih uns Frieden gnädiglich“ wurde am Ende wiederholt und Mendelssohns Vertonung des Lutherschen Liedtextes schlug den Bogen zum Beginn der fruchtbaren Zusammenarbeit der beiden Chöre anlässlich des Reformationsjubiläums im letzten Jahr. A