Wanne-Eickel. Bis zum letzten Jahr haben die Beratungsstelle Arbeit und das Stadtteilzentrum Zeppelin des Kirchenkreises Herne und das Arbeitslosenzentrum der katholischen Kirche als Beratungsstelle Arbeit eng zusammengearbeitet. Gefördert wird und wurde die Arbeit durch das Land NRW und die EU. Nach der Schließung des Arbeitslosenzentrums ist nun der Caritasverband mit seiner neuen Anlaufstelle Café Blickwinkel, An der Kreuzkirche 4, und in Person von Sarah Peters in die Kooperation mit dem Zeppelin-Zentrum eingestiegen. Die Arbeit umfasst Erwerbslosenberatung, Beratung von von Armut bedrohter Menschen, Beratung prekär Beschäftigter und von Menschen in ausbeuterischer Beschäftigung.
Beide Einrichtungen erleben eine nochmals gestiegene Nachfrage. So steigen die Fälle von Menschen in wirtschaftlichen Notlagen stark an. Hier sind vor allem die gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten als Ursache zu nennen. Von den steigenden Energiekosten sind auch Menschen betroffen, die (noch) nicht im Sozialleistungsbezug sind und beispielsweise von einer kleinen Rente leben. Hier kann es sich lohnen, eine Beratungsstelle aufzusuchen, um abklären zu lassen, ob durch die erhöhten Heizkostenabschläge ein Anspruch auf Sozialleistungen ausgelöst wird.
In diesem Zusammenhang ist auch die zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Wohngeldreform von Bedeutung. Dadurch wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert. Ein möglicher Anspruch auf Wohngeld kann im Internet mit Hilfe diverser Wohngeldrechner oder in den Beratungsstellen überprüft werden. Im Fall von Wohngeldbezug müssen sich die Antragsteller auf lange Bearbeitungszeiten einstellen. Unter bestimmten Voraussetzungen werden Vorschüsse gezahlt und vorläufige Bewilligungen erlassen. Die beiden Beratungsstellen unterstützen bei der Antragstellung.
Immer öfter müssen die beiden Einrichtungen aber auch auf Fonds zurückgreifen, wenn keine Rechtsansprüche auf Leistungen realisiert werden können. In Herne sind das beispielsweise „Herne hilft“ und „Herne Solidarisch“, ein von Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda eingerichteter Fond, um Energiearmut abzumildern. Darüber hinaus stehen Mittel der Evangelischen Landeskirche und des Bistums Paderborn zur Verfügung. Auch zu diesen Hilfsmöglichkeiten werden Menschen im Zeppelin-Zentrum und im Café Blickwinkel beraten.
Bei Menschen, die Sozialleistungen (Bürgergeld, Sozialhilfe, Grundsicherung) beziehen, müssen die gestiegenen Heizkostenabschläge im Rahmen der Kosten der Unterkunft von den Behörden übernommen werden. Hier stellen vor allem die gestiegenen Abschläge für Strom das größte Problem dar. In der monatlichen Regelleistung sind für Strom zwischen 40,71 Euro (Alleinstehender) und 9 Euro (Kind unter fünf Jahren) pro Person enthalten. Die Beratungsstellen weisen darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht schon 2014 die damaligen Regelleistungen als verfassungskonform ansah und ausführte, dass der Gesetzgeber aktiv werden müsse, wenn „eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende extreme Preissteigerungen“ nicht auszuschließen sei. Die Beratungsstellen sehen hier die Möglichkeit, beim Jobcenter und beim Sozialamt Anträge auf den Betrag zu stellen, der den vorgesehenen Anteil in der Regelleistung übersteigt.
„Besonders beunruhigend sind im Beratungsalltag momentan die Fälle, bei denen es um Existenzsicherung geht“, sagt Zeppelin-Leiterin Dagmar Spangenberg-Mades. „So erhalten beispielsweise Familien keine Leistungen vom Jobcenter, weil sie keine gültigen Aufenthaltstitel oder entsprechende Ersatzpapiere von der Ausländerbehörde vorlegen können.“ Viele Menschen, die im Rahmen eines Antragsverfahrens aufgefordert werden, eine lange Liste von Unterlagen einzureichen, seien damit überfordert. „Kann beispielsweise eine Familie aus dem Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes, der beim Sozialamt angesiedelt ist, zum Jobcenter wechseln, muss diese alle erforderlichen Unterlagen neu beschaffen, da das Jobcenter nicht auf die Unterlagen im Sozialamt zurückgreifen kann. Dies stellt beispielsweise für Menschen mit Sprachproblemen, kognitiven Einschränkungen oder psychischen Erkrankungen eine sehr hohe Hürde dar. Ohne Unterstützung würden diese Menschen oft längerfristig ohne Leistungen und ohne Krankenversicherungsschutz bleiben. Energierückstände und weitere Verschuldung sind die Folgen.“
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Beratung in Fällen ausbeuterischer Beschäftigung. Die hiervon betroffenen Klienten stammen zumeist aus Südosteuropa. Sie haben nur Zugang zum deutschen Sozialleistungssystem, wenn sie einer Beschäftigung nachgehen, so dass sie sich oftmals gezwungen sehen, ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse einzugehen. So kann es beispielsweise vorkommen, dass eine Frau einen Vertrag für einen Mini-Job unterschrieben hat und den entsprechenden Lohn bezieht, dafür aber Vollzeit arbeitet.
Weitere Informationen geben Dagmar Spangenberg-Mades, Telefon (02325) 6 08 40 und Sarah Peters (Café Blickwinkel), Telefon (02323) /92 96 03 70. DSM