Herne. Im Anschluss an die diesjährige Mitgliederversammlung der Stiftung blueplanet am 25. Juni hat der Journalist Jan Jessen einen Vortrag zur Situation in Afghanistan seit der Machtergreifung der Taliban gehalten. Jessen ist seit 20 Jahren Redakteur bei der NRZ und als solcher für zuständig für Auslandsreportagen – häufig aus Kriegs- und Konfliktregionen. Seine häufigen Reisen führen ihn in Länder wie Afghanistan, Ukraine oder Irak. Trotz des sonnigen Sommer-Fußball-Wetters kamen zahlreiche Besucher ins Kulturzentrum.Oftmals ist der Journalist auch mit dem Friedendorf Oberhausen, für das er ehrenamtlich tätig ist, in Afghanistan. Dort werden schwerkranke Kinder abgeholt und zu Behandlung und Genesung ins Friedensdorf gebracht, um dann wieder zu ihren Eltern zurückgeschickt zu werden. Von daher kennt Jessen das Land vor und nach der Machtergreifung der Taliban. Er beschreibt die derzeitige Situation als zwiespältig: Auf der einen Seite haben die Menschen nach 40 Jahren endlich wieder Frieden, andererseits führen die Taliban ein sehr strenges, oft unberechenbares Regime. „Viele Anhänger sind blutjung, haben keine Schulbildung, aber mit Waffen in der Hand fühlen sie sich machtvoll und sind unberechenbar“, sagte er.
Viele Ortskräfte, die während des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan für die deutschen Streitkräfte oder für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit tätig waren, seien vergessen und sitzen weiter im Land fest. „Sie sind gefährdet und haben wohl kaum noch eine Chance, das Land jemals zu verlassen“, beklagt Jessen. „Die Listen sind bis heute nicht verifiziert, und erst dann könnten Ausreisen vorgenommen werden.“ Die Bundesinnenministerkonferenz habe dieser Tage beschlossen, dass das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan eingestellt werden soll. „Klingt zunächst so, als wären seit der Machtübernahme viele Menschen nach Deutschland gekommen, tatsächlich sind sie fast an einer Hand abzuzählen.“ Zu den politischen Problemen gesellten sich große Armut, Erdbeben und Flutkatastrophen. Dennoch seien die Menschen voller Geduld, Kraft und Zuversicht. Auch ein stilles Aufbegehren zeigten sie – „beispielsweise wenn junge Frauen in Gruppen trotz Kleiderordnung den Kontrollen der Taliban mit unverschleiertem Gesicht begegnen.“ Es sei wichtig, dass Afghanistan von der Öffentlichkeit nicht vergessen wird.
In Herne gibt es den Verein Amiri e.V., der immer wieder Hilfeprogramme für Afghanistan startet und dafür jederzeit Spenden entgegennimmt. Kontaktdaten gibt es in der Flüchtlingsberatung der Fachstelle Eine Welt bei Katjä Jähnel, E-Mail katja.jaehnel@ekvw.de. KJ