Rasante Läufe und lyrische Einschübe - Eine Konzertkritik von Brigitte Wilms

HERNE – Das Kammerkonzert in der Christuskirche Herne am 24. Juni war virtuosen Werken des 19. Und 20. Jahrhunderts für Klarinette und Klavier gewidmet. Es spielte das „Duo Wanderer“ mit Shih-Ming Chang (Klarinette) und Miku Konuma (Klavier), die seit 2014 zusammenarbeiten. Beide haben einen Teil ihres Studiums an der Hochschule für Musik in Wuppertal absolviert, sind als Dozenten tätig und gehen außerdem einer regen solistischen Tätigkeit nach.

Das Konzert begann mit einer Sonate für Oboe, das Camille Saint-Saëns (1835-1921) in seinem Todesjahr komponiert hat, die Shih-Ming Chang für die hohe D-Klarinette bearbeitet hatte. Die drei Sätze des Werkes, die immer an Tempo zunehmen, bewirken ein Drängen zu einem Ziel hin – hier dem virtuosen Abschluss des „Molto Allegro“ – und sorgen so für einen Zusammenhalt ohne übergreifende Motive, die sonst den Spannungsbogen erzeugen. Der erste Satz begann mit einem Terzmotiv abwärts, das abwechselnd in beiden Instrumenten auftauchte, und mündete in eine Kadenz der Klarinette zu liegenden Akkorden im Klavier als Ruhepunkt vor dem tänzerischen Allegretto im Dreiviertel-Takt mit Vorschlägen, die an Vogelrufe erinnerten. Auch vor dem dritten Satz gab es keinen Einschnitt, sondern wieder eine Kadenz, bevor die Sonate mit rasanten Läufen und perfekt gestoßenen Figuren fulminant endete.

Es schloss sich die Sonatina für Klarinette und Klavier des tschechischen Komponisten Bohuslav Martinů (1890-1959) an, einem Spätwerk, das er 1956 in Philadelphia komponiert hat, als er  noch einmal ein Jahr in Amerika lebte, wohin er schon 1941 wegen der Nationalsozialisten ausgewandert und erst 1953 nach Europa zurückgekehrt war. Martinůs Sonatine zeigt in Form und Melodie den Einfluss des Neoklassizismus von Francis Poulenc und Igor Strawinsky und erinnert mit der vielfältigen Palette von Klangfarben an Claude Debussy. Daneben finden sich Tanz- und Marschrhythmen sowie virtuose Läufe. Passagen von fröhlichem Charakter münden unvermittelt in Abschnitte mit unerwarteten Synkopen und werden sofort wieder von lyrischen Einschüben abgelöst. Das Werk besteht zwar aus drei gut zu unterscheidenden Abschnitten (Moderato, Andante und Poco Allegro), wird aber in einer einzigen Bewegung musiziert.

Von Donato Lovreglio (1841-1907) stand eine Konzertfantasie nach Motiven aus der Oper „La Traviata“ von Guiseppe Verdi auf dem Programm. Lovreglio war ein italienischer Flötist, der vor allem für sein Instrument und andere Holzbläser komponiert hat, und zwar vorwiegend Konzertfantasien. Das Stück ist einfach aufgebaut, aber sehr wirkungsvoll: Dem meistens von der Klarinette vorgetragenen Thema schlossen sich mitreißende Variationen, die die Beweglichkeit der Klarinette verdeutlichten und das Können von Shih-Ming Chang und seiner Begleiterin bestaunen ließen.

Den Abschluss bildete die im Vergleich dazu sehr moderne Sonate von Leonhard Bernstein (1918-1990), seine erste Komposition für Klarinette. Schon hier deutet sich die für Bernstein so charakteristische Musiksprache aus europäischen und amerikanischen Elementen an: So begeistert im Grazioso eine wunderbare Melodie zu kurzer akkordischer Begleitung, während sich im Andantino zwei Partner fast atonal und rhythmisch äußerst kompliziert unterhalten. Der dritte Satz Vivace e leggiero lebt von amerikanischer, jazzartiger Rhythmik mit ihren dauernden Wiederholungen.

Das Publikum war von diesen so unterschiedlichen Stücken und dem großen Können der beiden Musiker restlos begeistert und unterstrich dies mit lang anhaltendem Applaus.