„Das Wichtigste ist, für andere da zu sein“

Herne. „Mich wundert, dass ich so fröhlich bin.“ Diese Zeile aus einem alten Gedicht, zitiert von Superintendentin Claudia Reifenberger, erfasste perfekt die Stimmung beim Tag der offenen Tür des Ambulanten Hospizdienstes im Herz Jesu-Gemeindezentrum. Lange vor dem offiziellen Beginn füllte sich der große Pfarrsaal mit Helfern und Gästen, um den räumlichen Neuanfang einer Institution zu feiern, die sich mit dem wohl schwersten aller Themen befasst – und dabei so viel Lebensfreude ausstrahlt. Der Kontrast hätte am 26. März kaum größer sein können. Schon beim Betreten des großen Pfarrsaals wurde deutlich: Hier ist kein Ort für Trübsal, hier wuselt das Leben. Gäste nahmen an liebevoll gedeckten Tischreihen Platz. Bunte Tulpen setzten Farbakzente, der Duft von Kaffee und Kuchen kitzelte in der Nase. Passende musikalische Statements setzte der Chor „Ungefiltert“ des Evangelischen Krankenhauses Herne mit fröhlichen, mutmachenden Songs. Die Botschaft war klar: Hier findet ein Neuanfang statt, der Hoffnung bringt.

Das erste Grußwort hielt Hernes erster Bürger. Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda. Er würdigte die 55 ehrenamtlichen ambulanten Sterbebegleiterinnen und -begleiter des Hospizdienstes, die als Zeitschenkerinnen und Zeitschenker bezeichnet werden: „Sie halten Hände, spenden Trost, sind einfach da. Und das ist so verdammt wichtig“, betonte er. „Das kostbarste Gut nach der Gesundheit ist heutzutage die Zeit. Man kann nichts Sinnvolleres mit seiner Zeit anfangen, als anderen eine Stütze zu sein.“ „Das Anliegen der ambulanten Hospizarbeit ist es, ein Leben bis zuletzt lebenswert und ein Sterben in Würde möglich zu machen“, erklärte Superintendentin Claudia Reifenberger. Sie erinnerte an die ursprüngliche Bedeutung des Wortes: „Hospize waren früher Herbergen, die Pilgern auf ihrem Weg Gastfreundschaft, Hilfe und Pflege gewährten.“ Die Hospizarbeit tue genau dies auf dem letzten Abschnitt einer Lebensreise. Die Zeitschenkerinnen und Zeitschenker engagieren sich, um bis zuletzt Lebensqualität zu ermöglichen – sie seien da, für Sterbende wie für ihre Angehörigen. „Dieser Ort rückt ein wichtiges Thema in den Fokus: Hospizarbeit, die Frage nach dem Umgang mit dem Sterben, mit dem Abschiednehmen, mit dem Loslassen“, betonte Pfarrer Dr. Nils Petrat, Hausherr und Oberhaupt der katholischen Großgemeinde St. Dionysius, die inhaltliche Nähe von Gemeinde und Hospizdienst. „Ihr Umzug in die Räume unserer katholischen Gemeinde ist mehr als eine praktische Lösung. Er ist ein mutiges Statement: Tod und Sterben kommen mitten in die Gemeinde und mitten ins Leben.“ Als einer, der die Anfänge des Hospizdienstes vor mehr als 25 Jahren miterlebt hat, zog Pfarrer i.R. Walter Tschirch, heute Vorsitzender des Beirates des Fördervereins, eine biblische Parallele: „Als einer rief, da hörte der Herr und half ihm aus seinen Nöten.“ Er dankte allen, die zum Gelingen des Neuanfangs beigetragen haben, „den Handwerkern, die hier mehr geleistet haben als in anderen Bereichen, den Ehrenamtlichen für geschenkte Zeit, aber auch für Kraft, eigenes Zurückstecken, Treue und Offenheit, den Hauptamtlichen für riesiges Engagement, liebevolles Kümmern, unermüdliches Arbeiten an Problemen, einen nie versiegenden Quell an neuen Ideen.“

Nach dem offiziellen Teil führten Karin Leutbecher, Karola Rehrmann und Anja Schröder, die drei Koordinatorinnen des Hospizdienstes, die Besucherinnen und Besucher durch die frisch renovierten Räume im ersten Stock. Die ehemalige Gästewohnung, die lange auch als Archiv genutzt wurde, erstrahlt jetzt in hellen Farben und bietet mehr Platz für Organisation, Beratung und Austausch.
Im Pfarrsaal präsentierten ehrenamtliche Zeitschenkerinnen und Zeitschenker an fünf Infotischen die große Bandbreite ihrer Arbeit – von Demenz und Formen der Vorsorge über Trauerarbeit und ambulante Sterbebegleitung bis hin zum Café Todquatschen. Ein Kinoraum mit Videos über den Hospizdienst und ein Gästebuch rundeten das Programm ab. Nach drei lebhaften Stunden voller Begegnungen und Gespräche ging der „Tag der offenen Tür“ um 18 Uhr zu Ende. „Ich bin beseelt und erfüllt von der großen Wertschätzung, die uns entgegengebracht wurde“, sagte Anja Schröder. „Ich spüre: Heute sind wir wirklich angekommen.“ Auch ihre Kollegin Karin Leutbecher äußerte ihre Freude über den Tag: „Ich habe Menschen wiedergetroffen, die mich zum Teil schon seit bis zu 30 Jahren bei meiner Arbeit begleiten“. Rundum zufrieden war auch Karola Rehrmann: „Wir haben wundervolle Grußworte hören dürfen und sind dankbar, dass sich auch unsere Ehrenamtlichen ans Mikrophon getraut haben.“ Für Pfarrer Frank Obenlüneschloß, Vorsitzender des Fördervereins, ist klar: „Dieses Miteinander ist ein Beispiel für gelebte Ökumene.“ Und Schirmherr Thorsten Kinhöfer, ehemaliger FIFA-Schiedsrichter, bestätigte: „Die neuen Räume sind toll geworden. Dafür hat es sich wirklich gelohnt, Spenden zu sammeln.“ SSch

 

Von links: Karola Rehrmann, Superintendentin Claudia Reifenberger, Pfarrer i.R. Walter Tschirch, Karin Leutbecher, Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda, Anja Schröder, Pfarrer Dr. Nils Petrat und Pfarrer Frank Obenlüneschloß.

 

Der Chor „Ungefiltert“ des Evangelischen Krankenhauses Herne sorgte für die musikalische Gestaltung.

 

Der Gemeindesaal war bie auf den letzten Platz besetzt.

 

Superintendentin Claudia Reifenberger erreichte mit ihren einfühlsamen Worten die Herzen der Anwesenden.

 

Karin Leutbecher, Karola Rehrmann und Anja Schröder (von links) sind die drei hauptamtlichen Koordinatorinnen des Ambulanten Hospizdienstes Herne. FOTOS: GÜNTER MYDLAK