HERNE – Drei Frauen mit zwölf unterschiedlichen Flöten und Musik von 1500 bis 1900 – es war ein spannendes Konzert, das dem Publikum im ersten Kammerkonzert am 21. Januar in der Christuskirche Herne von den „MidSummerNightFlutes” mit Nina Brockschmidt (Bochum), Wibke Oppermann (Oldenburg) und Maren Schack (Hannover) dargeboten wurde.
Im Mittelpunkt stand die Traversflöte, ihre Entwicklung und Verwendung vom 16. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, bis sie durch die Böhmflöte, stimmgewaltiger und intonationssicherer durch ein ausgeklügeltes Klappensystem und in moderner Stimmung ersetzt wurde. Gespielt wurde ausschließlich auf Nachbauten historischer Instrumente. Von Stück zu Stück wechselte das Instrumentarium. So wurde Georg Philipp Telemanns Quartett D-Dur, ein anspruchsvolles Stück im empfindsamen Stil, zu Beginn auf der Barockflöte, einer dreiteiligen Ein-Klappenflöte, musiziert, die einen Halbton tiefer gestimmt ist als die heutige Flöte, was zu einem weichen und sehr einheitlichen Klang führt.
In Frankreich dagegen liebte man in der Barockzeit einen besonders runden, tiefen Klang, wie die sich anschließende Sonate von Joseph Bodin de Boismortier, in Paris lebender Flötist, Cembalist und Komponist, verdeutlichte: Man spielte auf Instrumenten, die einen Ganzton tiefer standen als die heutigen, denn Boismortiers Kompositionen sollten schön und elegant klingen und formvollendete Unterhaltungsmusik für seine Zeitgenossen sein.
Die mit mehreren Klappen versehene Klappenflöte der Klassik und Romantik dagegen näherte sich bereits der heutigen Stimmung an. Ihr Klang ist schmaler, in der Höhe zeichnet sie deutlicher, dadurch sind die einzelnen Stimmen besser voneinander zu unterscheiden. An Christian Ludwig Dietter, Zeitgenosse Mozarts und anerkannter Komponist im Herzogtum Württemberg, wie auch bei Saverio Mercadante, einem italienischen Komponisten, dessen Schwerpunkt der Oper galt und der unvergessen blieb durch sein Flötenkonzert in e-Moll, war dies gut zu studieren: Dietters dreisätziges konzertantes Stück und Mercadantes Serenata verlangten viel virtuosos Können, wurden mit zwar weniger, aber durchgängigem Vibrato gespielt und klangen so sehr modern.
Ein wenig vertrautes Klangbild dagegen boten die Stücke von Orlando Gibbons (um 1600), einem englischen Komponisten der Renaissancezeit und Organisten an der Westminster Abbey in London, sowie „Der Gesang der Vögel” des noch älteren Nicolas Gombert (um 1500), einem franko-flämischen Komponisten und Sänger in der Kapelle Karls V., die auf Renaissanceflöten vorgetragen wurden. Diese Flöten sind zylindrisch gebohrt, verjüngen sich also komplett, und sind ohne Klappen gebaut. Man verwendet sie im Consort, das heißt in unterschiedlichen Größen (vorwiegend als Tenor- und Bassflöte) und an Fürstenhöfen oft im Chor zu mehreren in einer Stimme. Man konnte sehr gut hören, dass den drei Flöten unterschiedliche Rollen zugeteilt waren: Die oberste Tenorflöte spielte überwiegend in der extremen Oberlage, die zweite Tenorflöte in der leiseren Mittellage, und der trotz einer Länge von einem Meter recht leise klingenden Bassflöte war die Basslinie anvertraut. Weil die Musikerinnen ganz ohne Vibrato spielten, wie es in der Renaissancezeit üblich war, klangen die Stücke sehr herb, fast starr.
Vivaldis „Stieglitz” zum Abschluss (eine eigene Bearbeitung des Ensembles) war eine glänzende virtuose Meisterleistung und ergriff die Zuhörer spürbar. Besonders zu Herzen gingen die eindringlichen Melodien im langsamen Satz, die abwechselnd von den Musikerinnen vorgetragen wurden. Überhaupt fiel auf, wie geschmeidig und flexibel die recht leisen Instrumente verwendet werden können, wie wirkungsvoll Fingertriller, variables Vibrato oder ausdrucksvolle schnelle Zungenstöße einen relativ gleichbleibenden Klang zu variieren in der Lage sind. Die technische Leistung der Künstlerinnen und der musikalische Ausdruck, den sie erzeugen konnten, war beeindruckend.
Zwischen die einzelnen Kompositionen waren Gedichte von Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse, Rose Ausländer, Erich Kästner und Joseph von Eichendorff eingefügt, die Frank Brockschmidt wunderbar gestaltet vortrug und die thematisch den Übergang vom Winter zum Frühling zum Inhalt hatten. Die Zugabe für das begeisterte Publikum offenbarte die malerischen Fähigkeiten der Traversflöte mit einer Darbietung von Kuckuck, Huhn und Esel.