Ein Kommentar zur Verleihung des Friedensnobelpreises an Denis Mukwege von Pfarrer Martin Domke
OSLO – Er hat im OP von der Preisverleihung erfahren. Denis Mukwege, Gynäkologe im Krankenhaus Panzi, Bukavu, im Osten der Demokratischen Republik Kongo hörte die lauten Jubelrufe der Frauen. Jetzt sind alle stolz, die ihn kennen. Vor fünf Jahren bekam er den alternativen Nobelpreis, jetzt also den richtigen. Ja, auch ich bin froh, dass das Engagement des mutigen Kämpfers für die Rechte von vergewaltigten Frauen geehrt wird. Der Friedensnobelpreis setzt auch für die Demokratische Republik Kongo ein unübersehbares Zeichen. Geehrt werden nicht die Mächtigen, sondern diejenigen, die den Opfern von Gewalt, Massakern und Willkürherrschaft beistehen und den Herrschenden entgegentreten. Denis Mukwege ist dafür nur knapp einem Mordanschlag entgangen und hat dennoch weitergemacht.
Noch im Februar haben wir in einer Reise-Gruppe der Universität Bochum mit ihm sprechen können. Unvergesslich seine Antwort auf die Frage: „Was können Sie gegen das Unrecht und die Vergewaltigungen tun?“ Mit fast stechendem Blick antwortet Mukwege: „Sagen Sie es mir! Und was tun die deutschen Kirchen gegen einer der größten humanitäre Katastrophe dieser Zeit?“
Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Denn wie oft haben wichtige Menschen, Politiker aus allen Fraktionen, aber auch Kirchenvertreter unterschiedlichster Couleur mit Denis Mukwege geredet und vieles zugesagt. Passiert ist nichts, absolut nichts. Er wurde wie viele andere, auch von den deutschen Kirchen nicht etwa im Stich gelassen, sondern einfach ignoriert.
Ein Aufruf, den Universitäts- und Kirchenleute im April an die deutschen und europäischen Kirchen geschickt haben, blieb in den allermeisten Fällen vollkommen unbeachtet. Wenn der Hilfeschrei eines Friedensnobelträgers einfach ignoriert wird, wie sieht es dann mit den Schreien der Opfer aus, für die er eintritt? Menschenrechtsarbeit liegt nicht in Wortspielen und Diplomatie, sondern im Kampf gegen das Unrecht und die Willkürherrschaft. Denis Mukwege weiß, wie unendlich schwer es ist, andere überhaupt für diesen Kampf wachzurütteln. Er wirkt oft genug verbittert, auf den ersten Blick.
Dann aber sagt er das Entscheidende: „Sehen Sie die ganzen Urkunden da hinter mir? Ich kann Ihnen Briefe von Politikern aus aller Welt zeigen – sie haben nichts, aber auch gar nichts unternommen, um den Morden und Abschlachten ein Ende zu bereiten. Ich überlege mir, ob ich überhaupt noch mit irgendwem reden soll, es hat ja bislang gar nichts gebracht. Stattdessen sollte ich in den OP gehen, da kann ich helfen, da kann ich Menschen beistehen. Ich bin Arzt.“ Es ist nur folgerichtig, dass er den Preis den Frauen widmet, die Opfer brutalster sexueller Gewalt geworden sind.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser Arzt, über den ein Buch mit dem Titel „Der Mann, der die Frauen repariert“ geschrieben wurde, noch lange weiterhelfen kann. So langsam wäre es an der Zeit, dass die Weltgemeinschaft sich überlegt, wie sie ihm beistehen kann. Sonst ist dieser Friedensnobelpreis nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, sondern schlicht vergeblich. Wann wachen die Verantwortlichen endlich auf, um dem Morden und der Willkür im Kongo Einhalt zu gebieten? Und was tun wir selbst, was können wir tun? Die Frage ist mindestens so wichtig wie die Preisverleihung, nicht nur für Denis Mukwege, sondern für Hunderttausende Frauen in einem Land ohne Frieden.