HERNE – Es ist schon eine langjährige Tradition in der Kreuzkirchengemeinde – das geistliche Konzert am Karfreitag zur Todesstunde Jesu. Ab 15 Uhr erklangen die „Sieben Worte des Erlösers am Kreuz“ von Joseph Haydn (1732-1809) in der Fassung für Streichquartett. Ausführende waren wie in den vergangenen Jahren Gisela Röbbelen, Elisabeth Kronen (Violine), Barbara Ravenstein-Holländer (Viola) und Carolin Schröder (Violoncello). Pfarrer Kornelius Heering hat die zu den einzelnen Sätzen gehörenden Texte aus den Passionsgeschichten des Neuen Testaments gelesen – darüber gepredigt haben die Musikerinnen mit ihren Instrumenten. Insofern war die Veranstaltung eher Gottesdienst als Konzert. Denn es gelingt Haydn mit seiner Musik, den Inhalt der Texte zu unterstreichen.
Die Bitte Jesu „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ und seine Antwort an den Mitgekreuzigten „Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein“ sind in einer Weise vertont, die die körperlichen Schmerzen des Misshandelten ebenso wie seine Menschenliebe hörbar machen. Das Jesuswort aus dem Matthäusevangelium („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“) beschreibt Haydn zu Beginn in einfachen Sequenzen, die die Verzweiflung in dem Anruf „Mein Gott“ spüren lassen, bevor die Musik mit eingeworfenen Dissonanzen die quälende Warum-Frage nachzeichnet.
Das Sterbewort „Es ist vollbracht“ aus dem Johannesevangelium leitet im Unisono aller vier Instrumente die schwermütigste der sieben Sonaten ein. Sie ist der Höhepunkt des Zyklus in einem von Haydn genau berechneten Spannungsbogen. Die siebte Sonate zu dem Wort „In deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist“ aus dem Lukasevangeliums wird dann zum Ausdruck kindlichen Gottvertrauens. Die Es-Dur-Melodie wirkt hier wie eine Befreiung. Das anschließende, von Matthäus beschriebene, Erdbeben ist ein virtuoser Satz, der den Beginn des Jüngsten Gerichts andeutet. In der Erschütterung der Natur nach Jesu Tod soll die Erschütterung jenes Tages vorausgeahnt werden. Hier wird die Absicht des Komponisten deutlich, seine Zuhörer aufzurütteln und zugleich zu läutern. Das gelingt ihm, indem er in dem Erdbeben die Form aller vorherigen Sätze sprengt.
Rund 60 Besucherinnen und Besucher haben sich auf diese ganz besondere Art der Karfreitagsmeditation eingelassen. „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft…“ Pfarrer Heering beschloss die musikalische Verkündigung wie eine Predigt, womit er den charakter eines besonderen Konzerts unterstrich. AR