„Zum Leben erweckte Zeitgeschichte“

Herne. „Dies hier ist eine Suche nach Antworten. Auch eine Suche nach Fragen. Letztlich eine Suche nach Worten. Nach Verben, Adjektiven. Nach Subjekten und Objekten. Nach Tätern und Opfern.“ Das sagt die Staatsanwältin in dem Theaterstück „Treppe ins Ungewisse“ von Heiko Ostendorf. Sie versucht gemeinsam mit ihrem Assistenten, eine oft vergessene Gräueltat während der NS-Zeit aufzurollen: die Ermordung und Zwangssterilisation von zahllosen Menschen in Psychiatrien.

Zu sehen war das Stück am 30. Januar im Ludwig-Steil-Forum der Kirchengemeinde Haranni. Die Gemeinde und der Förderkreis „Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis Herne e.V.“ hatten die Aufführung organisiert; das Theater Odos aus Münster hat es auf die Bühne gebracht.

Auf Grundlage von Zeitzeugenberichten, Gerichtsurteilen oder historischen Studien stand das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten im Mittelpunkt. Im August 1939 hatte Hitler den mündlichen Geheimbefehl gegeben, die Tötung von erwachsenen „Geisteskranken“, die in Heil- und Pflegeanstalten untergebracht waren, in allen Einzelheiten vorzubereiten und durchzuführen. Die Aktion sollte möglichst umfassend sein, denn nach Hitlers verblendeter Vorstellung von der Reinheit der Volksrasse waren „geisteskranke“ Menschen minderwertige Ballastexistenzen ohne wirtschaftlichen Nutzen, die allesamt im Wege der Menschenauslese als lebensunwertes Leben vernichtet werden sollten.

Beate Reker und Johan Schüling gelang es mit ihrem Spiel, die rund 120 Besucherinnen und Besucher aufzuwühlen. Eine Stunde lang erweckten sie Zeitgeschichte zum Leben, etwa mit diesem Bericht einer Zeitzeugin: „Also, die Treppe, die verfolgt mich. Die Treppe ins Ungewisse. Die Treppe, von der habe ich schon geträumt. Von der Treppe, die in den Keller geht. Zu den Gaskammern. Wenn Sie überlegen, da sind Busse rein und die Leute sind da raus und sind dann da durchgeschleust worden. Und dann in den Keller. Ich habe gedacht: Du lieber Gott!“

Im Anschluss an die Aufführung haben Udo Jakat und Eberhard Bluhm vom Förderkreis „Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis Herne“ über die Opfer des Euthanasieprogramms in Herne und Wanne-Eickel berichtet. AR

Rund 120 Menschen wollten am 30. Januar das Theaterstück „Treppe ins Ungewisse“ erleben.  FOTOS: MICHAELA HOPFE

Beate Reker und Johan Schüling. FOTOS: MICHAELA HOPFE